Jul 08

Urteilsaufhebung wegen fehlerhafter Einführung einer Urkunde (BGH 1 StR 532/12)

Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil des Landgerichts Augsburg aufgehoben, in welchem erstinstanzlich mehrjährige Haftstrafen ausgesprochen worden waren.

Die Angeklagten hatten – verkürzt gesagt – „Provisionsgelder“ bei der Produktion mit anschließendem Verkauf von Hochseeschleppern erhalten, in dem diese Gelder mittels Leerpositionen und teilweise erhöhten Einzelrechnungspositionen durch die Auftraggeber nach Rechnungslegung gezahlt worden waren, ohne hierüber informiert gewesen zu sein. Zu diesem Zweck wurde ein „Memoranda of Understanding“ über die Zahlung eines „Owner´s Discount“ geschlossen.

Aus Sicht des Autors ist diese Entscheidung weniger hinsichtlich der materiell rechtlichen Frage interessant, ob auch eine Verurteilung wegen Bestechlichkeit in der konkreten Situation zu erfolgen hat, oder wie die geschlossenen Verträge über die Zahlungen die zahlenden Publikumsgesellschaften verschleiert wurden.

Interessant ist wohl die rein prozessrechtliche Frage, dass hier innerhalb eines erstinstanzlichen Verfahrens (wieder einmal) eine Urkunde als Beweismittel zur Urteilsbegründung herangezogen worden ist, ohne dass diese innerhalb der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung verlesen oder sonst eingeführt worden ist. Dies ist nämlich eigentlich prozessrechtlich streng untersagt. Ein Urteil darf nur aus dem „Inbegriff der Hauptverhandlung“ begründet werden. Wenn eine Urkunde dort nicht verlesen wird, gibt es sie einfach für den das Urteil fällenden und begründenden Richter nicht. Wenn doch, liegt jedenfalls ein Verfahrensfehler vor, wenn das Urteil darauf beruht, also, diese Urkunde essentiell für die richterliche Willensbildung war, was zumeist daran zu erkennen ist, dass diese Urkunde im Urteil erwähnt wird.

Bemerkens- und begrüßenswert ist, dass gerade der erste Strafsenat nunmehr mit dieser Entscheidung seine bisher eher „laxe“ Umgehensweise mit derartigen „prozessualen Schlampigkeiten“ aufgegeben hat.

Tatsache ist, dass innerhalb des deutschen Strafrechts bei einer erstinstanzlichen Anklage zu einer Strafkammer des Landgerichts nur die Revisionsinstanz (BGH) als „formelle Rechtsmittelinstanz“ bleibt. Wenn dort aber derartige prozessuale Fehler, welche eigentlich zwingend zu einer Aufhebung und Neuverhandlung führen müssen, auch noch eher mit teilweise nicht nachvollziehbaren Begründungsansätzen leicht hingenommen werden um ein Urteil zu halten, ist es mit der Rechtsstaatlichkeit einer Rechtsmittelinstanz eher schlecht bestellt.

Insofern ist gerade diese Entscheidung bemerkens- und begrüßenswert, da sie zeigt, dass seitens des Bundesgerichtshofs die prozessualen Regelungen als „Arbeitsanweisung“ für die Strafgerichte hochgehalten werden.

 

Robert Hankowetz, Regensburg

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht

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