Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung vom 19.03.2013 über die Zulässigkeit von strafprozessualen „Deals“ positiv entschieden hat (§ 257 c StPO), musste nunmehr der zweite Strafsenat des Bundesgerichtshof in zwei bei ihm anhängigen Verfahren über Revisionen nach derartigen „Deals“ entscheiden.
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Mitteilung über Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung (2 StR 47/13)
In diesem Verfahren hatte der Vorsitzende der Strafkammer des Landgerichts angeblich zu Unrecht nicht mitgeteilt, ob es Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung gegeben habe.
Diese Revisionsrüge wurde durch den Bundesgerichtshof zu Recht als unzulässig verworfen, da im konkreten Fall innerhalb der Revisionsbegründung noch nicht einmal vorgetragen war, ob es überhaupt Gespräche mit dem Ziel einer Verständigung gegeben habe. Nur wenn es Gespräche mit dem Ziel einer Verständigung gegeben hat, hat das Gericht gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO dies mitzuteilen (2 StR 195/12).
Dies bedeutet: Keine Gespräche, keine Mitteilungspflicht, keine Revisionsrüge. Die Revisionsbegründung hätte dementsprechend schlicht und ergreifend vortragen müssen, dass es derartige Gespräche gegeben hat.
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Revisionsrüge nach Mitteilung über Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung (2 StR 195/12)
In diesem Verfahren hatten entsprechende Gespräche zwischen den Verfahrensbeteiligten in einer Sitzungspause außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden. Der Vorsitzende Richter hatte daraufhin innerhalb der Hauptverhandlung mitgeteilt, dass es derartige Gespräche gegeben hat und dies in das Sitzungsprotokoll aufnehmen lassen.
So weit, so gut. Allerdings wurde nicht der Inhalt der Gespräche in das Sitzungsprotokoll aufgenommen.
Insofern hat der Bundesgerichtshof zu Recht entschieden, dass hier keine unzulässige Protokollrüge, sondern eine durchgreifende Verfahrensrüge vorliegt.
Begründet wird die Entscheidung in, aus diesseitiger Sicht, zutreffender Weise, dass die Strafprozessordnung die Verfahrenstransparenz in der Hauptverhandlung sicherstellen will (§§ 243 Abs. 4, 273 Abs. 1a StPO). Hiernach wäre auch der Inhalt der Gespräche, welche außerhalb der Hauptverhandlung zum Zwecke einer Verständigung geführt werden, mitzuteilen und in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen, damit eine effektive Kontrolle stattfinden kann.
Nach dem Grundsatz der Richtigkeit des Protokolls ist zu konstatieren, dass das „Schweigen“ des Protokolls über die Bekanntgabe des Inhalts der Verständigungsgespräche nur so zu verstehen ist, dass es eine derartige Mitteilung eben nicht gegeben hat. Dies ist als ein Verfahrensfehler zu sehen, auf welchen das Urteil in der Regel auch beruht.
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Neue Rechtsprechung?
Die Frage für die Praxis ist nunmehr, ob es eine neue Rechtsprechung gibt – oder nicht.
Die Antwort ist relativ einfach: Nein.
Das erstgenannte Urteil hat mit der Frage über „Deals“ im Strafverfahren recht wenig zu tun, da der Bundesgerichtshof eigentlich wohl gar nicht zu dieser Frage gekommen ist. Die Revision hatte innerhalb der Revisionsbegründung offensichtlich nicht einmal die Grundlagen einer derartigen Verfahrensrüge vorgetragen, so dass die Rüge aus diesem Vortragsmangel bereits als unzulässig angesehen werden musste. Eine Entscheidung über den „Deal“ kann daher in dieser Entscheidung nicht gesehen werden.
Die zweite Entscheidung bringt gleichfalls keine Neuigkeit. Den Grundsatz der Transparenz der Hauptverhandlung gibt es schon länger. Im Falle eines Deals wären ohnehin die Strafober- und untergrenzen durch das Gericht bekanntzugeben und den Parteien Stellungnahmerechte einzuräumen (§ 257 c Abs. 3 StPO). Wenn das nicht im Sitzungsprotokoll vermerkt ist, liegt schlichtweg ein Verfahrensfehler vor. Dieser musste aber auch vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorgelegen haben. Wenn dies alles eingehalten wird und über den Inhalt der Verständigung Auskunft erteilt wird, ist die Verständigung auch formell korrekt.
Ergo: Nichts Neues in Sachen strafprozessualen Deal. Die Instanzgerichte müssen schlicht und ergreifend sauberer arbeiten und sich an die Regeln der StPO halten.
Das einzig bemerkenswerte an diesen Entscheidungen ist aus meiner Sicht, dass es weiterhin Vorsitzende Richter gibt, welche diese gesetzliche Grundlagen weiterhin nicht beachten.
Robert Hankowetz, Regensburg
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht